Handball

Mein Weg in Venezuelas Nationalmannschaft - und was ich dort verändern möchte

Stefan Orlando Baran Cambero vom TSV Ellerbek

Mein Weg in Venezuelas Nationalmannschaft - und was ich dort verändern möchte

Nicht einzufangen: Stefan Orlando Baran Cambero.

Nicht einzufangen: Stefan Orlando Baran Cambero. Antonia Wedel

"Wo siehst du dich in zehn Jahren?", fragte mich mein damaliger Trainer, Stephan Phillips, beim allerersten Training der E-Jugend der Halstenbeker Turnerschaft. Meine Antwort ließ nicht lange auf sich warten: "In der venezolanischen Nationalmannschaft."

Meine Geschichte beginnt dort, wo alles begann. Am 28. November 2004 erblickte ich das Licht der Welt in Valencia, Venezuela. Sechs Jahre lang durfte ich die Wärme und Lebendigkeit meiner Heimatstadt erleben. Doch nach einem kurzen Zwischenstopp in London zog es meine Eltern, meine kleine Schwester und mich nach Hamburg.

Eine Sportart, die mich nicht mehr losgelassen hat

Für mich war es eine Herausforderung, Freunde zu finden, da ich die Sprache nicht beherrschte. Glücklicherweise hatte meine Mutter schnell eine Freundin aus Peru gefunden, die zwei Söhne hatte, die Handball spielten. Der ältere Sohn, der auch Spanisch sprach und in meinem Alter war, nahm mich mit zu seinem Training bei der Halstenbeker TS. Dort lernte ich eine Sportart kennen, die mich seitdem nicht mehr losgelassen hat.

Ich verbrachte meine Zeit beim Halstenbeker TS, und als der Verein 2015 mit Blau Weiß 96 Schenefeld eine Spielgemeinschaft gründete, blieb ich bis zur U 18 dabei. In dieser Zeit sammelte ich Erfahrungen in der Hamburg Liga, der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein und später auch als Jugendlicher in der Herren Hamburg Liga.

Mein letztes Jugendjahr verbrachte ich bei der SG Hamburg Nord, wo ich meinen größten Fortschritt im Handball machte. Dort sammelte ich auch meine ersten Erfahrungen im Leistungshandball der Herren.

Nun spiele ich offiziell in meinem ersten Herrenjahr und vertrete den TSV Ellerbek in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein.

Eine komische Instagram-Nachricht

In der Saison 2022/23 begann ich, Highlights meiner Aktionen aus meinen Spielen zu erstellen und diese Videos auf meinem Instagram-Account "stefoecambero" hochzuladen. Zusätzlich hatte ich in meiner Instagram-Biografie die venezolanische Flagge stehen, um meine Nationalität zu symbolisieren.

Eines Tages erhielt ich eine Nachricht auf Spanisch vom offiziellen Instagram-Account des venezolanischen Verbandes, in der ich gefragt wurde, ob ich wirklich aus Venezuela stamme. Wenige Tage und viele Nachrichten später erhielt ich eine offizielle Einladung zum nächsten Trainingslager der Herren-Nationalmannschaft von Venezuela.

Seit August 2023 bin ich nun Teil der Herren- und Junioren-Nationalmannschaft von Venezuela und warte gespannt auf mein erstes offizielles IHF-Spiel.

Als ich jedoch nach Venezuela kam, sah ich einige Dinge, die mir nicht gefielen. Abgesehen von der ökonomischen Lage und den Lebensbedingungen dort war ich schockiert über die Art und Weise, wie Mannschaften trainierten. Für mich war das ein regelrechter Kulturschock in meinem eigenen Land, da ich nur den Standard aus Deutschland kannte.

Fünf Bälle, die in Deutschland längst im Müll gelandet wären

Stefan Orlando Baran Cambero bei einem Besuch in der Heimat

Entwicklungshilfe: Stefan Orlando Baran Cambero bei einem Besuch in der Heimat. privat

Direkt nach dem Trainingslager begann ich mein Freiwilliges Soziales Jahr beim Hamburger Handball Verband. Schon dort setzte ich mir das Ziel, etwas für den Handball in Venezuela zu tun.

Für uns in Deutschland werden Hallen, Trainingsmaterialien und Ehrenamtliche oft als selbstverständlich angesehen. Ich erkannte, wie gut wir es hier haben und wie unfair es für diejenigen ist, die sich aufgrund ihrer finanziellen Lage kein Handball-Training leisten können.

Der Handball gewinnt in Venezuela, insbesondere in Valencia, rapide an Interesse. Dort sah ich Gruppen von bis zu 45 Leuten, von U 11 bis U 30, die gleichzeitig trainierten - mit nur fünf Bällen, die hier in Deutschland schon lange im Müll gelandet wären.

Ohne Leibchen, mit kaputten Toren und verschlissener Sportkleidung oder sogar ohne. Unter solchen Bedingungen ist es fast unmöglich, handballbegeisterte Menschen ordentlich auszubilden. Aber die Venezolaner versuchen es dennoch und geben ihr Bestes.

Unterstützung bei der Finanzierung des Transportes gefragt

Da ich nicht immer in Venezuela sein kann und somit keine Mannschaft leiten kann, suchte ich nach anderen Möglichkeiten zu helfen. Die Idee war, die Ressourcen und Kontakte des Hamburger Handball Verbandes zu nutzen, um möglichst viele Trainingsmaterialien und Sportkleidung zu sammeln und nach Valencia zu senden.

Bislang konnten wir bereits 400 Teile an Sportkleidung und eine Menge Trainingsmaterial sammeln. Die nächsten Schritte sind, den Transport zu finanzieren, die Materialien zu verpacken und sie hinzuschicken.

Durch diese Hilfe hoffe ich, noch mehr Menschen in Venezuela dazu motivieren zu können, mit Handball anzufangen, und ihnen eine angemessene Ausbildung zu bieten. Wer weiß, vielleicht sehen wir in den nächsten fünf Jahren den ersten venezolanischen Spieler in der Bundesliga.

Wir suchen aktuell noch Partner für die Finanzierung des Transportes. Sollten Sie jemanden kennen oder Vorschläge haben, wer helfen könnte, dann melden Sie sich doch gerne bei fsj@hamburgerhv.de. Jede Spende hilft!

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